Kinder und Sehschule

Wie entwickelt sich der Sehsinn meines Kindes?

In den ersten Lebensjahren durchläuft das kindliche Gehirn eine rasante Entwicklung, die auch das Sehsystem betrifft. Verknüpfungen werden hergestellt, Gehirnstrukturen bekommen ihre Aufgabe zugeteilt. Seheindrücke werden verarbeitet und das Sehen gelernt: von groben Konturen bis zu einer Ausdifferenzierung der Sehschärfe.

Mehr als 80% unserer Informationen nehmen wir visuell auf und fast die Hälfte unserer Gehirnzellen ist am Sehvorgang beteiligt. Ein Gehirn, das sich noch sortiert, kann man therapeutisch besonders gut in eine positive Richtung lenken.

Wie lernt mein Kind Sehen?

Die empfindlichste Zeit der Sehentwicklung ist der Zeitraum bis zum dritten Lebensjahr, danach flacht die Entwicklung bis zum Grundschulalter ab. Die Kindergartenzeit ist deshalb der beste Zeitraum, um dem Kind den Weg für gutes Sehen zu erleichtern. Je früher, desto besser.

Denn Sehen ist in der Tat ein Lernvorgang, so wie alles, was das Kind in seiner Entwicklung er- und durchlebt. Das Gehirn muss erst lernen, die visuellen Reize zu verarbeiten. Kinder kennen die Welt nur so, wie sie sie wahrnehmen – und sie können sich noch nicht verbal zu ihren Sinneseindrücken äußern. Das flexible Gehirn kleiner Kinder kann Defizite hervorragend kompensieren.

So können Eltern oder Erzieherinnen häufig gar nicht bemerken, dass ein Kind schlecht sieht. Dass Kinder an ihre Grenzen geraten, merkt man an Kopfschmerzen, bei Schwierigkeiten der Feinmotorik oder bei sehr großer Ungeschicklichkeit.

Wann und warum soll mein Kind zum Augenarzt?

Im Rahmen der kinderärztlichen Früherkennungsuntersuchungen erfolgt auch ein Sehscreening. Bei Auffälligkeiten wird der Kinderarzt das Kind zu einer fachärztlichen Untersuchung überweisen. Manche Augenerkrankungen werden dennoch zu spät entdeckt, denn man merkt Kindern die Sehprobleme oft nicht an. Wir empfehlen deshalb für alle Kinder wenigstens zwei fachärztliche Untersuchungen: die erste vor dem Kindergarten, die zweite zum Schulbeginn.

In bestimmten Situationen ist schon eine Untersuchung in den ersten Lebensmonaten erforderlich: bei Frühgeburten, fehlendem Blickkontakt durch das Kind oder wenn das Kind vorgehaltene Gegenstände nicht fixiert - außerdem bei äußerlichen Auffälligkeiten der Augen oder familiärer Häufung von Augenerkrankungen. Gutes Sehen ist entscheidend für viele andere Entwicklungsschritte Ihres Kindes.

Wann soll mein Kind auf jeden Fall zum Augenarzt?
  • Familiäre Häufung von Augenerkrankungen oder Fehlsichtigkeiten
  • Auffälliges Schielen nach dem 6. Lebensmonat
  • Augenzittern
  • Kopfschmerzen
  • Hängendes Augenlid, das sich nicht vollständig öffnet (Ptose)
  • Lese-Rechtschreib-Schwächen
  • Bei Frühgeborenen
  • Bei Mehrfachbehinderungen
  • Bei Entwicklungsverzögerungen
  • Bei Chromosomenanomalien
  • Nach Schwangerschafts- oder Geburtsproblemen mit Sauerstoffmangel

Unser Kinderteam

Drei Berufe mit O, die Ihren Kindern beim Sehen helfen: Orthoptist:in, Optometrist:in, Ophthalmologe:in

Orthoptisten:innen und Optometristen:innen sind medizinisch ausgebildete Fachkräfte, die auf Augenbewewegungs- und Koordinationsstörungen sowie auf optische Probleme und. Störungen der beidäugigen Zusammenarbeit spezialisiert sind und können diese präzise diagnostizieren. Sie sind besonders erfahren im Umgang mit Kindern und deren Sehentwicklung.

Auf Basis der ersten Einschätzung durch das Optometrie-Team wird Ihr Kind dann durch unsere erfahrenen Ärzte/innen untersucht und wir besprechen mit Ihnen, wie wir gemeinsam Ihrem Kind zu gutem Sehen verhelfen können.Augen sind ein sehr komplexes und feines Gebilde. Sie sind eng mit dem Gehirn verbunden. Bestimmte Störungen der Augen können daher nur von einem entsprechend erfahrenen Augenarzt und dem dazugehörigen Team erkannt werden.

Häufige Fragen von Eltern

Myopiemanagement

Maßnahmen zur Verzögerung der zunehmenden Myopie

Bei Kindern mit familiärer Veranlagung, frühem Beginnund fortschreitender Kurzsichtigkeit > 0.5 Dioptrien/Jahr können nach derzeitiger Datenlage folgende zusätzliche Maßnahmen, sinnvoll sein:

Atropin-Augentropfen
In großen Studien mit asiatischen Kindern (Alter 6-15 Jahre) konnte gezeigt werden, dass hochverdünntes Atropin (0,01%) das Fortschreiten der Myopie langfristig verlangsamt – und das bei minimal störenden Nebeneffekten. Studienergebnisse mit europäischen Kindern sind noch unvollständig und in den nächsten 1 bis 2 Jahren zu erwarten. Nach aktuellen Daten lässt sich die Myopiezunahme um etwa 0.3-0.5 dpt/Jahr vermindern. In etwa 12% der Fälle bleibt ein Effekt der Atropintropfen aus (sog. Nonresponder).

Die Prophylaxe mit niedrigdosiertem Atropin hat sich inzwischen weltweit verbreitet. In Deutschland gibt es derzeit noch keine Arzneimittelzulassung für Atropintropfen zur Myopiebehandlung (off label use). Die Kosten werden nicht von der Krankenkasse erstattet und können nur über ein Privatrezept verordnet werden. Aufgrund der langen Anwendungszeit ist die Gabe unkonservierter Augentropfen empfohlen. Über einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren wird je1 Tropfen täglich abends in den unteren Bindehautsack beider Augen getropft. Je nach Verlauf und Ansprechen muss danach über Abbruch oder Fortsetzung der Therapie entschieden werden.

Bei den von uns in den letzten Jahren behandelten Kindern hat sich die Methode als wirksam und gut verträglich bestätigt.
Multisegmentgläser
Die speziellen Brillengläser mit kleinen Mikrolinsen, haben in ersten Studien mit einer Beobachtungsdauer über 3 Jahre ebenfalls eine Verzögerung der Myopiezunahme gezeigt. Im Seitblick können diese Gläser eine geringe Bildunschärfe erzeugen, die von den meisten Kindern nicht als störend empfunden wird. Für die abschließende Nutzenbewertung dieser Gläser stehen weitere herstellerunabhängige Studien noch aus.

Multifokale und Orthokeratologie-Kontaktlinsen
Studien belegten ebenfalls die Minderung der Myopiezunahme. Allgemein sind beim Tragen von Kontaktlinsen besondere Kooperation und Sorgfalt in der Handhabung und Hygiene durch Kinder und Eltern geboten, um Infektionen der Hornhaut zu verhindern. Der Einsatz von Ortho-K-Linsen erfordert die engmaschige Kontrolle durch entsprechend qualifizierte Kontaktlinsenspezialisten.

Bei allen kurzsichtigen Kindern empfehlen wir eine augenärztliche Kontrolle in 6-12 monatlichen Intervallen. Bei Kindern, bei denen wir zusätzliche Maßnahmen zur Verzögerung der Kurzsichtigkeit (sog. Myopiemanagement) einsetzen, soll 1x/Jahr eine Biometrie des Auges (Vermessung der brechenden Medien und der Augapfellänge) durchgeführt werden, um die Wirksamkeit der eingesetzten Methode zu prüfen. Diese Untersuchung ist für gesetzlich versicherte Kinder eine individuelle Gesundheitsleistung.

Mit Tricks und Einfühlung den Kleinen ins Auge schauen

Kinder sind: Kinder! Brav und stumm auf dem Untersuchungsstuhl sitzen, ist also nur etwas für die allerwenigsten unserer Patient:innen.

Ein Interview zum Thema Kinderaugenheilkunde